Donnerstag, 4. September 2008

Einreise in die EU

Die Ansage, dass der letzte Wagen in Garmisch verschlossen wird und man mitsamt Fahrrad, drei Gepäcktaschen und zwei Rucksäcken in einen anderen Wagen wechseln muss, hätte man sicherlich vor der Einfahrt in den Garmischer Bahnhof machen können, z.B. schon in München. Wenn man dann auch noch beim das-Fahrrad-durch-den-Gang-schieben vom Schaffner ermahnt wird, doch bitte über den Bahnsteig den Wagen zu wechseln und anschließend, wenn man das Fahrrad über den Bahnsteig schiebt, der selbe Schaffner den Zug abpfeift und plötzlich alle Türen zuknallen, dann lässt man erst einen Schrei fahren und denkt sich anschließend: fick dich, deutsche Bahn, du hast mich lang genug genervt, ich wandere jetzt nach Österreich aus.

Von Garmisch zur Erlösung, also zur österreichischen Grenze, war es ja nicht mehr weit. Am Grenzbahnhof Scharnitz steigt ein Österreicher ein, setzt mich mir gegenüber und sagt: „griis dii“ (also: grüß dich!). Nach drei Jahren in Berlin muss ich mich erst einmal wieder daran gewöhnen, dass sich Menschen jetzt wieder grüßen und nicht nur ignorieren.

Die zweite Begrüßung kam kurz hinter der Grenze per SMS: „Willkommen in der EU. Anrufe aus der EU nach Deutschland und ins Reiseland: 54 ct/min.“ A-ha. Deutschland verlassen und endlich die EU erreicht. Während ich in Amerika war, ist Bayern offensichtlich aus der EU ausgetreten. So sind sie halt, die Politiker: kurz vor Wahlen machen sie sinnloses Zeug, das beim Wähler gut ankommt.

Im Eurocity von Innsbruck nach Wien wurde mir schnell klar, dass ich mir nicht nur die Berliner Unfreundlichkeit und Ruppigkeit abgewöhnen muss, sondern auch die Berliner Toleranz und Fremdenfreundlichkeit (jetzt einmal abgesehen vom Verhalten gegenüber Schwaben). „Es kann nedd sein, dass die Kinder nedd mehr lernen, wie a Schweinsbratn gmacht wird, nur wegen die Moslems im Kochkurs“. Schließlich ist die österreichische Küche ja ein wichtiges Stück der österreichischen Kultur, die von den bösen Ausländern unterlaufen wird. Der Moslem an sich weigert sich auch, Deutsch zu lernen und findet alles am Westen schlecht. „Wenn der Westen so schlecht ist, sollns bittschön wieder heimgehn.“

Das würde im deutschen Zugabteil niemand sagen, in Österreich scheint es normal zu sein. Das bestätigt mir auch meine Mitbewohnerin Sandra, mit der ich gleich am ersten Abend bei Ottakringer Bier und Volkacher Wein bis zwei Uhr über Gott und die Welt (mit Schwerpunkt auf letzterem) diskutiere. Wir überlegen uns Gründe, warum so viele Deutsche in Wien studieren (schöne Stadt; schlechte Regierung und Studiengebühren gibt’s daheim mittlerweile auch; Befreiung von der historischen Schuld, die man als deutscher immer im Hinterkopf hat, als Österreicher aber nicht) und stellen fest, dass der Unterschied zwischen Stadt und Land viel größer ist als der Unterschied zwischen Mann und Frau. Da wir beide vom Land kommen, verstehn wir uns also recht gut.



1 Kommentar:

Chrissi hat gesagt…

Haha, wusst ich's doch, die Bayern machen irgendwann ernst, im Gegensatz zu den ängstlichen Québecern!